Sieben Theaterensembles und Bühnen in Baden-Württemberg sind am Sonntag in Pforzheim mit dem Landesamateurtheaterpreis „Lamathea“ ausgezeichnet worden. Die Junge Theaterakademie Offenburg gehört zu den Preisträgern.
von: Helmut Seller, Badische Zeitung vom 8.11.2023
Deutschlands einziger Landespreis für Amateurtheater und bürgerschaftliches Engagement geht außer nach Offenburg in weiteren Sparten nach Heidelberg, Oberriexingen, Pforzheim, Reutlingen, Ühlingen-Birkendorf und Ulm. Die Preisträgerteilen sich das Preisgeld von insgesamt 12.000 Euro
„Das gemeinsame, oft generationenübergreifende Spiel in den Amateurtheatern ist unverzichtbar für das kulturelle Leben in unserem Land“, sagte Kunststaatssekretär Arne Braun bei der Vergabe des Preises am Sonntag im Kulturhaus Osterfeld in Pforzheim. Er lobt den ehrenamtlichen Einsatz und die gezeigte Vielfalt auf den Bühnen. Sie erzeuge Zuversicht, Energie und Orientierung in den aktuell komplizierten Zeiten.
Amateurtheater erreichen laut einer Mitteilung des Ministeriums Wissenschaft, Forschung und Kunst Baden-Württemberg jedes Jahr mehr als zwei Millionen Zuschauer. In Baden-Württemberg nehme das Amateurtheater bundesweit eine Spitzenstellung ein: Mehr als 600 allein im Landesverband organisierte Theatergruppen mit rund 40.000 Mitgliedern veranstalteten jährlich knapp 10.000 Aufführungen.
Szenenfoto vom Lamathea-Festival am 4.11.2023 in Pforzheim (Fotos: Paul Silberberg)
In der Kategorie „Theater mit Kindern und Jugendlichen“ holte die Junge Theaterakademie Offenburg mit dem Stück „Richard und Rosa – Eine Liebe zu finsterer Zeit“ den Preis. Das Stück basiert auf dem Briefwechsel von Richard Mundinger, Braumeister und Offenburger Nazi der ersten Stunde, und der Volksschullehrerin Rosa Raber aus Mannheim, Tochter einer jüdischen Mutter und eines arischen Vaters. Aus den überlieferten Schreiben der Protagonisten wurde von Paul Barone, Leiter der Theaterakademie und Lehrer am Grimmelshausen-Gymnasium, sowie von Gabi Knittel und den schauspielenden Mitgliedern der Theaterakademie „Richard und Rosa“ entwickelt. Regie führten Barone sowie Patrick Labiche und Stephanie Scherer. Gefeierte Premiere war, wie berichtet, im September 2021 in der Offenburger Reithalle.
Szenenfoto vom Lamathea-Festival am 4.11.2023 in Pforzheim (Fotos: Paul Silberberg)
Das Patentrezept für die erfolgreiche Produktion nannte Laudatorin Maria Winter: „Man nimmt: Eine Gruppe motivierte Jugendlichen, die Biografie zweier Menschen aus der eigenen Stadt, Briefe dieser Menschen und Gespräche mit deren Tochter; das alles vermischt man mit einem Gymnasium, einer Realschule, Haus- und Landwirtschaftliche Schulen, einer Volkshochschule und einer Kunstschule und natürlich mit einem Team der Junge Theaterakademie; das alles anrühren mit einer Schachtel Zeit, einer Flasche Kreativität und einer Prise Geduld, um die Pandemie auszuhalten. Die Zutaten gut vermischen und gären lassen und dann das ganze auf die Bühne bringen. Das Ergebnis: eine gewaltige Inszenierung mit Tiefe, Relevanz und beeindruckender Ausstattung.
Das Video der Produktion habe sie sofort gefesselt: „Vom ersten Moment an war ich gefangen in der Geschichte. Das überzeugende Spiel, die Konzentration der Spielerinnen und Spieler, die Ruhe mit der sie die Texte bringen: Von Anfang an ist die Spannung der Geschichte zu spüren.“ Als Gruppe hätten sich die Spielerinnen und Spieler auf der Suche nach einer anderen Zeit begeben. Die Jugendlichen seien hier nicht nur die Akteure, die am Ende auf der Bühne standen, sondern hätten sich vertieft, gewundert und gefragt. „Paul Barone und seinem Team ist es gelungen die Jugendlichen zu begeistern und zu motivieren, und sich mit Spaß und Teamgeist gemeinsam auf eine Reise zu begeben“, so die Laudatorin. Das Thema sei aktuell: „Ausgrenzung, Ungerechtigkeit und ja, auch Antisemitismus sind leider immer noch Themen, mit denen wir zu tun haben.“ Auch die Bedeutung der Inszenierung für die eigene Stadt, für Offenburg, müsse genannt werden. Nicht zuletzt hätten die Akteure „eine wahnsinnige schauspielerische Leistung gezeigt und es geschafft, die Spannung über die ganze Inszenierung zu behalten.“
Das Stück hat sofort gefesselt
Bettina Kühne, Offenburger Tageblatt vom 13.11.2023
Die Jury hob bei der Entscheidung für den Landesamateurpreis den hohen Grad der Beteiligung der Jugendlichen hervor.
Für „Richard und Rosa – Eine Liebe in finsterer Zeit“ hat die „Junge Theaterakademie“ am Grimmelshausen-Gymnasium Offenburg den Landesamateurtheaterpreis beim Preisträgerfestival des LABW in Pforzheim überreicht bekommen. „Sofort gefesselt“ sei man vom eingereichten Stück gewesen, begründete die Jury ihre Entscheidung. Hervorgehoben wurde der hohe Grad der Beteiligung der Jugendlichen: „Gemeinsam wurde recherchiert, eine Geschichte geschrieben und inszeniert.“
Dass sich die Junge Theaterkademie bewerben konnte, war den neuen Regularien zu verdanken. Früher musste das Stück komplett gezeigt werden, inzwischen reicht eine Sequenz. „Das ganze Stück zu zeigen, ist nicht realistisch“, erläutert Theaterlehrer Paul Barone. Nicht nur, dass fürs Schultheater die nächste Premiere ansteht – die Akteure zieht es nach dem Abi weg.
Es gelang, mit 20 Schauspielern und vier Erwachsenen – Paul Barone, seine Frau Cornelia, Ellen Mundinger, um die Geschichte deren Eltern sich das Stück dreht, sowie Jan Eslinger (Musik) – nach Pforzheim zu fahren. Aber: „Zwei Hauptrollen mussten wir umbesetzen.“ Einer der Hauptdarsteller und ein weiterer studieren Schauspiel in Freiburg und hatten eigene Aufführungen. Kira, die in Berlin Schauspiel studiert, konnte erst am Samstag mitproben und musste am Sonntag schon wieder fahren. Ein weiterer Abiturient weilt in den USA. Deshalb hat Paul Barone die 20-minütige Sequenz mit dem sogenannten Gefühlschor von elf auf neun Akteure reduziert. „Wir hatten ein Video zusammengeschnitten mit den Szenen, die zur Aufführung kamen“, berichtet er. Das bekamen alle, um sich auf die Generalprobe vorzubereiten. Es sei erstaunlich, wie leicht es war, das Stück nach zwei Jahren wieder hervorzuholen: „Es heißt oft, ein Stück ist im Körper drin: Das trifft zu!“
Der Gefühlschor zeigt das innere Leben von Rosa. Es geht nicht nur um physische Gewalt. „Vieles wird verdeckt, nicht erkannt, mitgetragen, selbst von den Opfern.“ Denn das System beruhte darauf, dass welche drin, andere draußen seien. „Es ist ein Prozess, das zu erkennen“, sagt Barone. Mit dem an der wahren Geschichte orientierten Stück wollte er den Blick schärfen, „um die Machtstrukturen zu durchschauen, denen wir ausgesetzt sind“. Barone geht es darum, mit der Theatergruppe Bewusstsein für ein stärkendes Gemeinschaftserleben zu schaffen. Dass drei Schüler Schauspieler werden, sei nicht sein Ziel gewesen: „Es ist kein einfacher Beruf – aber wir haben trotzdem gemeinsam fürs Vorspiel geprobt.“
Der Preis wird alle zwei Jahre ausgeschrieben. Beworben habe man sich mit „Vision Freiheit“ sowie „Richard und Rose“. Davor sei „Robin Hood“ nominiert gewesen.