Erinnerung an die dunklen Seiten unserer Geschichte

Im Jahr 2020 liegen das Ende des Zweiten Weltkrieges und die Befreiung vom Nationalsozialismus 75 Jahre zurück. Was für viele von uns heutzutage unvorstellbar zu sein scheint, ist doch einmal Realität gewesen.

In diesem Jahr beschäftigt sich die Theater-AG unter der Leitung von Paul Barone in dem Stück „Rosa – Eine Offenburger Liebe in finsterer Zeit“ mit jener Zeit und der Judenverfolgung. Passend hierzu traf sich die Theater-AG am Mittwoch, dem 29.1.2020 zu einer Lesung der gebürtigen Offenburgerin Eva Mendelsson-Cohn, die die Erlebnisse ihrer Kindheit zur Zeit des Zweiten Weltkriegs schilderte. Die Lesung fand im Theaterraum der Jungen Theaterakademie statt.

Es war im Jahr 1938, als ihr Vater verhaftet und für sechs Wochen in das Konzentrationslager Dachau gebracht wurde. Ein halbes Jahr später verlässt er das Land und wandert nach England aus. Eva Mendelsson-Cohn, ihre Mutter Sylvia und ihre Geschwister bleiben zurück. Im Oktober 1940 werden viele Offenburger Juden in das französische Lager Gurs deportiert, darunter Eva, ihre Schwester Miriam und ihre Mutter Sylvia. Die Bedingungen dort sind schrecklich, der Alltag ist geprägt von Krankheit, Leid und Tod. Sylvia Cohn wird 1942 nach Auschwitz deportiert und dort umgebracht. Eva Mendelsson-Cohn beschreibt es als „das Allergrößte, was eine Mutter tun kann: Sie ging alleine, sie wusste, sie geht in den Tod“. Eva Mendelssons größter Schatz: Ein Notizbuch ihrer Mutter mit deren Gedichten. Doch es ist nicht der einzige Verlust der Familie, denn auch Evas älteste Schwester Esther, die an Kinderlähmung litt, wird ermordet.

Eva und ihre Schwester Miriam kommen nach ihrer Befreiung aus dem Lager in einem Kinderheim in der Schweiz unter. Von dort ist es ihnen zum ersten Mal möglich, Kontakt zu ihrem Vater aufzunehmen. Aber erst nach dem Krieg sehen sie ihren Vater in England wieder. Dort können sie beide eine Schule besuchen. In England lernt Eva später ihren Mann kennen. Heute lebt sie in Wales und teilt ihre Geschichte als Zeitzeugin.

Nachdem sie ihre Geschichte erzählt hat, herrscht Schweigen, denn sie geht jedem nahe. So etwas soll nie wieder passieren, betont Eva Mendelsson-Cohn. Sie hat Angst, dass es sich wiederholen könnte, und gibt uns den Rat mit auf den Weg, immer einzugreifen und nie untätig daneben zu stehen, wenn etwas falsch ist oder jemand niedergemacht wird. Umso wichtiger ist es, dass an die dunklen Seiten unserer Geschichte erinnert wird und diese nicht vergessen werden, auch wenn die Zeitzeugen immer weniger werden.

Die Erlebnisse Eva Mendelsson-Cohns beschäftigen uns auch nach dem Vortrag. Auch wenn wir in Büchern schon viel zum Thema gelesen haben, gehen die persönlichen Erlebnisse uns noch viel näher. Sie werden ohne Zweifel Einfluss darauf haben, wie wir unser neues Stück erarbeiten.

Undine Gloski

Foto: Wolfgang Reinbold

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